Weihnachten 2025

Das Licht in der Werkstatt der zerbrochenen Dinge

Betlehem war in jener Nacht ein Ameisenhaufen. Die Volkszählung hatte die Stadt an ihre Grenzen gebracht; überall schrien Esel, feilschten Händler und klapperten Krüge. Doch in einer kleinen Seitengasse, nur ein paar Steinwürfe von der überfüllten Herberge entfernt, brannte ein sanftes, beständiges Licht.

Über der Tür hing ein hölzernes Schild, in das mühsam zwei Worte geritzt waren: „Reparatur-Stube“.

Drinnen saß Joram an einem langen Tisch aus Olivenholz. Vor ihm lag kein Gold und kein feines Tuch, sondern ein Sammelsurium des Alltags: eine zerbrochene Tonlampe, eine Sandale mit gerissenem Riemen und ein hölzerner Spielzeugesel, dem ein Bein fehlte. Joram war kein Händler. Er war ein Bewahrer. In einer Zeit, in der man sich kaum ein neues Gewand leisten konnte, schenkte er den Dingen ein zweites Leben.

„Es geht nicht nur um das Holz, Joram“, sagte sein alter Nachbar Silas, der gerade versuchte, ein verbogenes Scharnier wieder geradezubiegen. „Es geht darum, dass wir nicht zulassen, dass die Welt auseinanderbricht.“

Es war ein Repair Café, lange bevor es diesen Namen gab. Die Menschen brachten ihre Sorgen mit ihren kaputten Gegenständen mit. Während Joram nähte, leimte und hämmerte, hörte er zu. Er flickte nicht nur Leder, er flickte oft auch ein wenig die Hoffnung der Leute.

Gegen Mitternacht, als der Trubel der Stadt einer seltsamen, fast ehrfürchtigen Stille wich, klopfte es leise. Ein Mann trat ein. Sein Gewand war staubig, sein Gesicht gezeichnet von Sorge und Müdigkeit. In den Händen hielt er eine zerbrochene Laterne. Das Pergament war gerissen, das Metallgestell verbogen.

„Ich brauche Licht“, sagte der Mann schlicht. „Meine Frau… es ist so weit. Wir sind im Stall untergekommen, aber es ist dunkel und kalt.“

Joram sah den Mann an. Er spürte, dass dies keine gewöhnliche Reparatur war. Er griff nach seinem besten Werkzeug, einem feinen Knochenpfriem und festem Garn. Während er das Pergament flickte und die Streben der Laterne mit geübten Griffen richtete, fragte er: „Wie heißt ihr?“

„Joseph“, antwortete der Mann. „Und meine Frau ist Maria.“

Joram reichte ihm die Laterne zurück. Sie war nicht neu, man sah die Nähte und die Narben im Metall, aber sie leuchtete heller als zuvor, als Joseph den Docht entzündete. Joram lehnte die Bezahlung ab. „Ein Licht gegen die Dunkelheit ist Lohn genug“, sagte er lächelnd.

Als Joseph die Werkstatt verließ, trat Joram vor die Tür. Er sah, wie der Mann mit der reparierten Laterne zum Stall hinüberlief. In diesem Moment geschah etwas Sonderbares: Ein Stern, so groß und klar, wie Joram ihn noch nie gesehen hatte, blieb genau über dem Stall stehen. Sein Licht traf die alte, geflickte Laterne in Josephs Hand und ließ sie erstrahlen wie einen Diamanten.

Joram ging zurück an seinen Tisch. Er nahm den kleinen Spielzeugesel ohne Bein in die Hand. Er wusste jetzt, dass seine Arbeit in dieser Nacht besonders wichtig war. Denn draußen, im Stall, war gerade etwas zur Welt gekommen, das viel mehr reparieren würde als nur Holz und Ton. Es war der Anfang einer großen Heilung für eine zerbrochene Welt.

Zufrieden griff Joram zu seinem Schnitzmesser und begann, ein neues Bein für den kleinen Esel zu formen.

 

Das Team des RepairCafé Havixbeck bedankt sich für das Jahr 2025. Wir haben mehr Gäste als jemals zuvor gehabt. Treue Stammkunden und viele neue Menschen die unsere Hilfe in Anspruch genommen haben.  Mit mehr als 300 Reparaturen haben wir einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet. 

Wir wünschen euch allen eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit.